Marigot, Saint-Martin
Ich sitze hier auf dem Vordeck, es weht eine angenehme leichte Brise, das Schiff wiegt sich sachte im Wind, über mir sind der Vollmond und der Sternenhimmel. Wie schön, dass ich hier sein kann! Die ‚Eye of the Wind‘ liegt heute in Marigot vor Anker – im französischen Teil der Insel, die hier Saint-Martin heißt. Die Marina Fort Louis ist dominiert von riesigen Yachten. Meine Ankunft auf dem Schiff hat alle meine – hohen – Erwartungen erfüllt. Ich kannte zwei Mitglieder der Crew vom letzten Jahr, und die anderen vier sind auch sehr sympathisch. Gäste gibt es außer mir noch drei – ein älteres Ehepaar aus Stuttgart und einen jungen Mann, der aus der Nähe von Greifswald kommt. Das bedeutet, ich habe wieder wie im letzten Jahr eine großzügige Kabine für mich allein, in der ich mich schon richtig eingerichtet habe.
50 Meilen bis St. Kitts – Palmen, Strand und eine Reggae Bar
An unserem ersten Tag geht es gleich richtig zu Sache: 50 Meilen sind zu bewältigen bis nach St. Kitts, das bedeutet für die ‚Eye‘ ca. neun Stunden Fahrt. Basseterre ist der Hauptort von St. Kitts. Diese Insel ist seit 25 Jahren unabhängig. Hier legen regelmäßig die großen Kreuzfahrtschiffe an. Deswegen gibt es direkt hinter dem Anleger der Ozeanriesen ein kleines Viertel für diese Gäste: Zuerst eine Bar, Souvenirläden, Läden mit Strandkleidung und Sonnenschutz, zollfreiem Alkohol, Zigarren, Schmuck und ein Taxistand. In der Nähe liegen wir jetzt in einer ruhigen Bucht vor Anker. Mit dem Dinghi (Beiboot) fahren wir zum Strand und erleben ein Stück Karibik, wie man es aus den Prospekten kennt: glasklares Wasser, Strand, Palmen und eine Reggae Bar mit Cocktails. Vorher hatte ich noch ein persönliches Highlight: Ich bin auf die erste Plattform am Mast geklettert und habe die Aussicht genossen: Himmel über mir, das Schiff mehr als zehn Meter unter mir, türkisfarbenes Wasser und eine gehörige Portion Adrenalin vom Hochklettern. Ein kaum zu überbietendes Gefühl! Nach dem Besuch der Bar finde ich auf dem Vordeck eine aufgehängte Hängematte vor. Als sowieso schon großer Fan von Hängematten war mein Erlebnis auf dem Schiff noch eine Klasse besser: Man braucht hier niemanden, der die Hängematte in Bewegung hält – das übernehmen Wind und Wellen. Der Blick nach oben gleitet über die Segel und die Takelage und auf Vögel, die elegant ihre Kreise am Himmel ziehen.
Heute haben wir wieder einen Tag mit einem großen Schlag zu bewältigen, ca. 40 Meilen in acht Stunden. Fast alle Segel sind gesetzt – insgesamt gibt es 750 Quadratmeter an Segelfläche. Ihr könnt euch vorstellen, dass es da ganz schön viele Taue zu lösen und zu ziehen gibt. Meine Hilfe war gefragt – ich habe mich also nützlich gemacht und festgestellt, dass ich sicher eine Hilfe war, selbst wenn ich nicht so viel „manpower“ zu bieten habe. Völlig unerwartet rollen große Wellen über das Schiff, und Hose und Schuhe sind nass. Wenn gerade Segel gesetzt werden, kann man sich ja nicht so einfach in Sicherheit bringen. – Könnte man natürlich schon, aber das ginge völlig gegen meine Seefrauen-Ehre. Also habe ich tapfer an dem mir zugewiesenen Tau durchgehalten, egal was kam. Meine Hose hat sich zum Schluss genauso angefühlt wie die Taue – rau und salzig.
MEIN Platz
auf der Plattform
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Überwältigendes Azurblau
Ich sitze am Abend hier in der „Elvis Beach Bar“ in Sandy Beach auf Anguilla – im Hintergrund läuft Musik von Bob Marley. Auch heute war der Tag wieder ausgefüllt und angefüllt mit Erlebnissen. Taue lösen, Ziehen, Brassen (die Rahen, an denen die quadratischen Segel befestigt sind, in den richtigen Winkel zum Wind stellen), die Lose aus den Segeln holen (also alles noch einmal festziehen), Taue aufräumen … all das wird langsam sogar zur Routine. Heute gab es endlich Gelegenheit für meinen Lieblingsplatz vorne im Klüvernetz. Für mich die beste Möglichkeit, mir alles, was mich so beschäftigt, durch den Kopf gehen zu lassen und aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ich lag also im Netz, das sich unter dem Baum befindet, der vorne am Bug des Schiffes ca. zehn Meter weiter ins Meer hinausragt. Ich hatte das Gefühl, jenseits aller Welten zu sein. Vor mir das Schiff, unter mir die Wellen, die gegen den Schiffsrumpf schlagen, über mir der Himmel. Wie eine eigene Welt. Für mich die beste Situation, in innere Balance zu kommen. Es ist einfach toll, dass ich das alles erleben darf.
Name: Beate Keydel
Alter:56 Jahre
Länge: 40,23 m
Breite: 7,01 m
Segelfläche: 750 qm
Maschine: 600 PS
Geschwindigkeit: ca. 8 Knoten
Reederei: FORUM train &sail GmbH
Kabinen: 6 Passagier-Kabinen (16 Kojen)