Eine Flussreise, die es noch nie gab, MS Alena fuhr vom Schwarzen Meer zur Nordsee

Text: Dieter Bromund Fotos: Petra Bromund

Was für eine tolle Idee! Phoenix Reisen wollte ein Flussschiff, die MS Alena, vom Schwarzen Meer quer durch Europa zur Nordsee schicken – im September und Oktober 2023. Sieben Wochen würde die Reise dauern und ab 6.500 Euro kosten. Wer würde da mitfahren? Unsere Neugier entflammte. Und dann stiegen wir selber am 12. Oktober nachmittags am Deutzer Ufer in Köln auf das Schiff und verließen es in Düsseldorf wieder – am 21. Oktober. Wir hatten an der „Holland & Belgien Gala“ teilgenommen, dem vierten, vorletzten Teil einer Reise, die es noch nie gegeben hatte.

Zum 50. Geburtstag bot Phoenix ein Schiff an, das in 50 Tagen alle verbundenen Flussgebiete Europas befuhr, also Donau, Main, Rhein und Mosel. 50 Häfen wurden angelaufen, keiner zweimal. Man konnte die Reise als Ganzes buchen oder nur einen ihrer fünf Abschnitte.

Plötzlich taucht sie dicht hinter Nijmegen auf: Die Prinz-Bernhard Schleuse ist eine der bedeutendsten in der europäischen Binnenschifffahrt. Sie reguliert die Kanalverbindung zwischen Amsterdam und dem Ruhrgebiet.

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Die Route und das Schiff

Die MS Alena hatte am 8. September in Frankfurt abgelegt und war über den Main, den Main-Donau Kanal und auf der Donau bis zum Schwarzen Meer gefahren. Auf derselben Strecke ging´s zurück nach Mainz und rheinaufwärts bis Basel. Von dort führte die Reise rheinabwärts bis in die flämischen und niederländischen Nordseehäfen. Nördlichster Punkt der Reise war Medemblik am Ijsselmeer. Von dort aus ging es wieder in den Rhein, bei Koblenz die Mosel hinauf und dann zurück nach Frankfurt.

Die MS Alena, 2018 in Serbien gebaut und in Belgien ausgestattet, ist 135 Meter lang, 11,4 Meter breit und hat einen Tiefgang von 1,60 Metern. Sie kann in drei Kabinendecks bis zu 192 Passagiere aufnehmen, die eine Mannschaft von 51 Männern und Frauen aus 13 Nationen betreut. Unsere Kabine hatte wie alle auf dem Saturn- und dem Orion-Deck einen französischen Balkon, eine bodentiefe leicht zu öffnende Schiebetür. Im unteren, dem Neptundeck, sind die Fenster schmaler und nicht zu öffnen. Man schaut dort im Stehen wie aus der Koje einer Segelyacht aufs Wasser und hört gelegentlich Wellenschlag.

Zwei Schrauben im Heck und ein Bugstrahlruder erlauben leichte Manöver und Geschwindigkeiten bis 22 Knoten. Gesteuert wird das Schiff vom Sonnendeck aus, das bei entsprechendem Wetter von den Passagieren gern genutzt wird. Es bietet auch Schatten über Sitzgruppen, ein überdimensioniertes Schachspiel, einen winzige Pool und auch hier oben einen aufmerksamen Service.

MS Alena hat das Ijsselmeer bei trübem Wetter erreicht und am westlichen Ufer festgemacht. Ausflüge finden auch bei schlechtem Wetter statt.

Crew und Kabinen

Bereedert wird das Schiff von Rijfers Nautical Management BV, Küchen- und Hotelpersonal stellt sea chefs. Oskar van Spierenberg fuhr als Erster Kapitän, Hotelmanager war Andreas Hennig, Kreuzfahrtleiterin Alexandra El Nomeir. Sie wurde auf dieser langen Reise unterstützt von einem Praktikanten, Markus Künzle.

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MS Alena Europareise – Die MS Alena ist ein schmuckes, helles, leises Schiff, auf dem wir uns schnell orientierten und wohlfühlten. In zwei Restaurants, „Vier Jahreszeiten“ und „Lido“, gibt es feste Tischzeiten und feste Plätze, in der Panorama Lounge, mit Tanzfläche und Bar, herrscht freie Wahl. Unsere Kabine mit mehr als 15 Quadratmetern war ein Raumwunder mit vorzüglichen Betten und einem geschlossenen Bad. Die leeren Koffer verschwanden unter den Betten, die Garderobe in ausreichend großen Schränken und Schubladen. Und für den Schreibenden gab es sogar ein Tischlein an der Wand. Die Klimaanlage reagierte mit Wärme und Kälte schnell. Wird das Fenster geöffnet, schaltet sie sich aus.

Geliebtes Ziel

Holland ist ein beliebtes Reiseland, Belgien in seinem flämischen Teil ebenfalls. Ein Schiff ist das beste Gefährt, beide zu besuchen. Phoenix setzt acht Schiffe für Reisen auf ihren Flüssen, Kanälen, dem Ijsselmeer und dem Markermeer ein. Hier reist es sich leicht, wie in Bildern unterschiedlicher Maler. Wir lieben es, wenn der Himmel hoch ist und Wolken wie in alten Rahmen über ihn ziehen. Kühe strahlen auf ufernahen Weiden Gemütlichkeit aus, Radfahrer sind ubiquitär, Türme verbinden Himmel und Erde. Land und kleine Städte sind blitzsauber, Kanäle und Flüsse so gepflegt wie Straßen und Wege. Wir kennen geschäftige Großstädte, die Tradition und Moderne verbinden, Häfen, die rund um die Uhr arbeiten, riesige Gemüsebeete unter Glas, blendende Tulpenfelder, kraftvolle Barrieren gegen die See und die Wasser im Binnenland. In solchen Ländern mit ihrer reichen Geschichte lässt sich viel Programm gestalten. Doch selbst viele Besuche wecken immer noch mehr Appetit. Wir hatten uns bisher nach jeder Reise Wiederkehr gewünscht. So sah sie diesmal aus:

Wer einen Liegeplatz in einer Gracht in Amsterdam findet, kann sein Plattbodenschiff als Wohnung nutzen. Das Fahrrad bleibt meist angeschlossen an Land.

Neun Ziele, 18 Ausflüge

MS Alena Europareise – Erster Stopp um 5.00 Uhr morgens in den Niederlanden war Nijmegen, von wo aus es bereits um 10.00 Uhr nach Dordrecht weiterging, das um 15.00 Uhr erreicht wurde, die älteste Stadt der Provinz Holland, auf einer Insel gegründet. Eine geschichtsträchtige Stadt, von der aus einst die Niederländer die Spanier bekämpften und in unserer Zeit die deutschen Besatzer ein Hauptquartier hatten. Doch an WK II erinnert nur ein schmales Museum an einem wichtigen Hafenarm. Von Dordrecht ging´s in knapp vier Stunden weiter über Kinderdijk nach Rotterdam mit dem größten Hafen der Welt und einer atemberaubend modernen Architektur. Noch beim Abendessen hieß es Leinen los zur Fahrt nach Middelburg, das am Sonntag um 7.00 Uhr früh erreicht wurde, Basis für den Besuch des Deltawerks „Neeltje Jans“, das die großflächige Scheldemündung und das Hinterland vor Hochwasser und Sturmfluten schützt. Abends weiter ins Flämische nach Antwerpen, Ankunft acht Uhr morgens, Ausflüge nach Gent und Brügge. Am nächsten Morgen Ausflüge durch Antwerpen oder ins nahe Brüssel, zu seinem königlichen, seinem europäischen und seinem prächtigen belgischen Teil. Am Mittwoch um 10 Uhr wurde das diesmal wenig glänzende Amsterdam erreicht, noch vor Mitternacht ging´s weiter ins Ijsselmeer nach Medemblik und Hoorn und nachts wieder zurück auf den Rhein. Am Freitagvormittag wurde bei strömendem Regen in Arnheim festgemacht, um 20.00 Uhr hieß es zum letzten Mal auf diesem Reiseabschnitt: Leinen los. Düsseldorf wurde am Samstag, dem 21. Oktober um 10 Uhr erreicht: Ende dieses vierten Teils der Reise der MS Alena.

In diesem Raum arbeitet König Willem-Alexander, wenn er in Amsterdam weilt. Das königliche Schloss mitten in der Stadt steht in der übrigen Zeit Besuchern offen. Den Stil der Einrichtung geprägt hat ein Bruder Napoleons als König der Niederlande zwischen 1806 und 1810.

MS Alena Europareise – Was anders war

Eine Reise von 50 Tagen verlangt ein anderes Bordprogramm als auf Flüssen üblich, denn die Passagiere bestehen immer aus zwei Gruppen, Teilstreckenfahrern und Durchfahrern. Was für die einen neu und einmalig ist, erleben die anderen gleich fünf Mal: Begrüßungscocktail, die Vorstellung der leitenden Männer und Frauen, die vorgeschriebene Rettungsübung, die Einführung in Programm, Mahlzeiten, Ausflüge und Bordgewohnheiten und -routinen.

Anders als auf üblichen Flussreisen fuhr auf der MS Alena nicht nur ein Bordmusiker mit. Sängerinnen und Sänger hatten abends ihre Auftritte in der Panorama Lounge.

Eine Bouillon gab´s am Vormittag, einen late night Snack um 22 Uhr, und bei der Rückkehr von Landausflügen jedes Mal einen Willkommensdrink.

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Angenehm war auch die tägliche Apero-Stunde vor dem Abendessen. In Holland liebt man seine „Borrels“, Treffen mit Freunden auf ein Glas. Gin wurde schließlich als Genever vor Jahrhunderten zum ersten Mal in den Niederlanden gebrannt und lebt hier in zahlreichen Variationen seiner Urform immer noch.

Änderungen von Liegezeiten und -plätzen sind heute üblich. Da ist es dann gut, wenn die Verantwortlichen Erfahrungen auch in anderen Revieren oder gar anderen Berufen gesammelt haben. Hoteldirektor Andreas Henning hat Koch gelernt und konnte mit dem Küchenchef eine Speisekarte gestalten, die in 50 Reisetagen kaum Wiederholungen kannte. Alexandra El Nomeir war einst, wie sie sagte, „Zielgebietsbürokraft“ und hat dann Passagiere auf langen Reisen auf dem Nil betreut. Den umsichtigen Maitre Hendra aus Indonesien hatten wir schon auf früheren Reisen schätzen gelernt, als er noch Steward war.

In jedem größeren Ort gibt es Läden, die ausschließlich Käse verkaufen, in allen Variationen und Altersstufen. Vor dem Kauf wird immer probiert.

So spät im Jahr zeigten sich manche holländische Manager von einer ungewohnten Seite. Als Schiff auf dieser ganz besonderen Reise hätte die MS Alena in Amsterdam am Bahnhof gern den Liegeplatz eines gleich großen Schiffes von Phoenix übernommen, das dazu bereit war. Doch alle Gespräche mit allen niederländischen Partnern endeten mit einem „Geht nicht“. So landeten die Jubilare der MS Alena weit weg in einem Vorort und mussten einen Shuttlebus in die Stadt benutzen. In Kinderdijk mit seinen vielen Windmühlen wurde der MS Alena selbst ein freier Steg verweigert, weil hier kein Ausflug mit einem Bus startete, sondern nur ein Rundgang zu Fuß geplant war. Kapitän Oskar verdient Beifall: Er drehte mit der MS Alena vor der grandiosen Szenerie Ehrenrunden und Kameras klickten, Videos entstanden.

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Freundlicher und wissensreich erwiesen sich die Guides, die die Ausflüge führten. Sie wussten historische Immobilien und unbekannte Landesfürsten und Abenteurer so auch mit deutscher Geschichte zu verbinden, dass man bereichert an Bord zurückkehrte.

Mit glänzenden Augen berichteten die Durchfahrer vom prächtigen Wetter, das die Reise bis Köln ausgezeichnet hatte. Regen, Sturm und Kälte gab es erst seit unserem Erscheinen an Bord. Aber auch das ließ sich aushalten bei einer so guten Küche. Weine kamen auch aus Gegenden, die man befuhr, doch Belgien mit seinen 1800 Brauereien war nur mit einem einzigen Bier vertreten. Aus der Fülle holländischer Genever präsentierte der Hoteldirektor am Ende der Reise Großartiges. Wir verließen die MS Alena in einem wohl organisierten freundlichen Abschied mit einem Taxi zum Bahnhof Düsseldorf.

Und während wir uns im verspäteten Zug auf unser Zuhause in Bremen freuten, spürten wir bereits, wie etwas in uns zu glimmen begann: der Wunsch mit diesem Schiff nach Belgien und in die Niederlande zurückzukehren. Bitte nicht erst nach 50 Jahren!

Weitere Informationen: Phoenix Kreuzfahrten

Bilder:

Windmühlen in den Niederlanden mahlten nicht nur Korn. Die meisten, wie hier in Kinderdijk bei Rotterdam, helfen heute noch, das Land von innen zu entwässern, das die Deiche von außen schützen.

Zu den bedeutendsten profanen gotischen Bauwerken der Niederlande gehört das Rathaus in Middelburg auf der Halbinsel Walcheren. Im Krieg zerstört wurde es nach Originalplänen wieder aufgebaut.

Tulpen gehören zu Amsterdam, aber sie blühen leider nicht zu jeder Jahreszeit. So findet man auf dem Blumenmarkt in der Innenstadt hölzerne Tulpen, die die bedauerliche Leere füllen können.

Reiches Gent in Belgien. Weber und Tuchhändler machten die Stadt wohlhabend. In ihr wurde 1500 der spätere Kaiser Karl V. geboren. Auch heute noch ist die Stadt an Schelde und Leie eine der schönsten des Landes.

Stolz auf ihre Freunde waren die Stadtväter Dordrechts. Sie schmückten das Stadttor nicht nur mit ihrer Schutzpatronin sondern auch mit den Wappen verbündeter Städte. In Dordrecht wurde der Widerstand der Niederländer gegen Spanien organisiert.

Über den Deich ragen Giebel und Kirchtürme von Medemblik am Westufer des Ijsselmeers. Sie dienen noch heute als Navigationshilfe auf einem der schönsten Segelreviere des Landes.

Hinter Glas an dampfenden Töpfen arbeiten zwei Köche in der zweiten, kleineren Küche an Bord. Sie kochen für Gäste des „Lido-Spezialitäten Restaurants“ der MS Alena.